Hatte ich es mir so vorgestellt, nach Hause zu kommen? Eigentlich nicht. Ich erhob mich von meinem Sitz. Es war ein eigenartiges Gefühl. Die Triebwerke waren nun abgeschaltet und das Schiff rotierte leicht. Jede Außenwand schien nun unten zu sein. Ich griff nach meiner Tasche, in der ich die wichtigsten Unterlagen hatte. Es war schon komisch – da flog man viele Jahre durch das All und alles Wichtige aus dieser ganzen Zeit passte in eine kleine Tasche. Zum letzten Mal hangelte ich mich durch die schmutzigen Gänge, um zur Hauptschleuse zu kommen. Als ich dort ankam, wurde ich dort bereits erwartet. Man hatte die Schleuse – nachdem der Druckausgleich hergestellt war – schon von außen geöffnet.
Der Mann, der mich erwartete, machte auf mich einen normalen Eindruck. Sein Blick war offen und drückte Freundlichkeit aus.
»Willkommen auf Titan, Mr. Porter«, sagte er mit wohlklingender Stimme, »folgen sie mir bitte in unsere Station. Sie haben sicher eine Menge Fragen und ich werde mich bemühen, sie zu beantworten.«
Ich folgte ihm und betrat die Titan-Station. Ich bemerkte gleich, dass es eine andere Welt war, die ich betrat. Alles wirkte sauber, ordentlich und nagelneu. Ich sah Geräte und Instrumente, deren Funktion ich nicht bestimmen konnte.
»Welches Jahr haben wir?«, fragte ich.
Der Mann drehte sich um. »Sie würden wohl sagen, wir hätten das Jahr 2050, doch wir rechnen nicht mehr nach diesem Zählsystem.«
2050. Das würde bedeuten, dass ich mit der MILESTONE stark relativistischen Einflüssen ausgesetzt war, denn ich hatte den Bordkalender noch gut im Gedächtnis und der hatte zuletzt den 11. Juli 2035 angezeigt. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass der Mann gesagt hatte, man würde nicht mehr nach diesem Kalender rechnen.
»Moment mal«, sagte ich, »was soll das bedeuten, ihr rechnet nicht mehr nach diesem Kalender? Was hat sich denn in den wenigen Jahren geändert?«
Der Mann lächelte. »Mr. Porter, sie sollen alles erfahren, aber das sollten wir in angenehmer Umgebung tun. Es ist alles nicht so ganz einfach. Ich bin nicht sicher, ob sie gleich alles verstehen oder akzeptieren werden.«
Ich sah ihn fragend an. »Da bin ich ja mal gespannt. Wie ist eigentlich Ihr Name? Wie soll ich Sie ansprechen?«
»Mein Name ist 4-Rehlog-3569«, sagte er und deutete in den Gang hinein. »Folgen Sie mir. Lassen sie uns in unsere Kantine gehen und dort etwas trinken oder essen – wir haben eine gute Küche. Dort werde ich ihnen alles erklären.«
Ich lief hinter diesem 4-irgendwas her und verstand überhaupt nichts mehr. Ich registrierte, dass die Anziehungskraft allmählich größer wurde, also näherten wir uns dem äußeren Rad der Station, wo die Fliehkraft annähernd Erdschwere simulierte. Immer häufiger begegneten wir Menschen, die mich und meinen Führer freundlich grüßten. Endlich erreichten wir die Kantine, die mäßig besucht war. Sie wirkte genauso, wie ich Kantinen von früher kannte. Wir setzten uns und eine hübsche junge Frau nahm unsere Bestellung auf. Zumindest darin hatte sich in den vergangenen Jahren nichts geändert.
»Also«, sagte ich, »dann fangen sie mal an zu erklären, Herr 4-...«
»Nennen sie mich einfach Rehlog«, sagte er, »hier in der Station wird dies nicht zu Verwechslungen führen. Ich bin ein fast reiner Glii, daher der eigenartige Name. Die meisten Anderen haben ihre alten menschlichen Namen beibehalten.«
Ich starrte mein Gegenüber an. »Was ist ein Glii?«, fragte ich mit belegter Stimme.
»Was haben sie gefunden, als sie auf Proxima Centauri eintrafen?«, fragte Rehlog, »Oder anders gefragt, was haben sie dort nicht gefunden?«
Ich sah den Mann aus zusammengekniffenen Augen an.
»Dort war niemand«, sagte ich. »Wir fanden die Reste einer großen Zivilisation, doch war alles verlassen. Als meine Freunde dann vom Planeten zurück kamen, waren sie krank und starben. Nur ich habe überlebt.«
»Ganz so war es nicht«, sagte Rehlog. »Ich werde es mal in Kurzform erklären. Wir Glii stammen ursprünglich vom Planeten Glii, das ist der erste Planet der Sonne, die ihr Proxima Centauri nennt. In unserer früheren Heimat lebten wir in Symbiose mit einer Primatenspezies, die nur eine geringe Intelligenz entwickelt hatte. Wir Glii sind eine Kollektivintelligenz. Ihr würdet sagen, wir sind so etwas wie Viren oder Bakterien. Einzeln sind wir nichts, doch als geballte Masse entwickelten wir Intelligenz. Irgendwann im Laufe unserer eigenen Entwicklung stellten wir fest, dass wir individuelle Intelligenz entwickeln und sogar unsere Umwelt manipulieren können, wenn wir die Primaten unseres Planeten infizieren. So gingen wir eine Symbiose ein und konnten so gemeinsam eine Zivilisation schaffen, die eurer in nichts nachsteht. Leider hatten wir unsere Rechnung ohne unsere Sonne gemacht. Proxima Centauri ist eine instabile Sonne. Häufig schleudert sie Plasmafackeln weit in den Raum und überschüttete unsere Welt mit harter Strahlung. Der Allgemeinzustand unserer Wirtskörper wurde von Generation zu Generation immer schlechter. Auch unsere Mediziner waren nicht mehr in der Lage, die vielen degenerativen Erkrankungen zu heilen. Etwa in diesem Stadium erreichten uns eure ersten Funksignale. Wir begriffen, dass es weit draußen im All Wesen gab, die Kontakt zu uns aufnehmen wollten. Unsere Forscher fanden heraus, dass eure Sonne ein stabiler Typus ist und in diesem System eventuell eine Chance für uns zum Überleben bestand. Wir beschlossen daher, eine Raumflotte zu bauen und unseren Planeten zu evakuieren. Leider machte uns auch dabei unsere Sonne einen Strich durch die Rechnung. Ihre Aktivität nahm von Jahr zu Jahr zu und immer mehr unserer Körper versagten bereits in der Jugend. Mit äußerster Mühe schafften wir es, wenigstens eine kleine Flotte fertigzustellen und zu starten. Während der Jahre, die wir benötigten, dieses Sonnensystem hier zu erreichen, starben die Meisten von uns. Ich drücke das so aus, weil zwar die Summe unserer Teilelemente wieder dem Pool zugeführt werden konnte, doch diese Teilelemente mit dem Tod des Wirtskörpers ihre Individualität verloren haben. Sie wurden wieder Bestandteil der Mutterintelligenz, die wir in speziellen Behältern mitführten.«
Ich hatte den Ausführungen Rehlogs bisher gebannt gelauscht und empfand die Situation als völlig absurd. Konnte es wirklich sein, dass ich hier einem Außerirdischen gegenübersaß, der ebenso gut ein alter Bekannter hätte sein können. Er erzählte mir eine haarsträubende Geschichte, als wäre es eine kleine Anekdote, die man zwischen Suppe und Nachtisch zum Besten gab.
»Sie glauben mir nicht«, sagte Rehlog. »Ich spüre das genau.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich noch glauben soll. Würden sie es an meiner Stelle glauben?«
Rehlog lächelte. Es war ein warmes und verständnisvolles Lächeln. Wenn das wirklich ein Außerirdischer war, konnte es zumindest kein Monster sein. Ich zuckte bei dem Gedanken innerlich zurück. Monster? Warum dachten Menschen bei außerirdischem Leben immer zuerst an Monster? Ich sollte es besser wissen. Ich hatte aus dem Orbit des fremden Planeten die Spuren der Zivilisation mit eigenen Augen gesehen.
»Mr. Porter«, sagte Rehlog, »lassen sie mich erst zu Ende erzählen. Danach will ich ihnen gern alle Fragen beantworten.
Wir müssen uns unterwegs begegnet sein, doch auch wir hatten sie und ihr Schiff nicht bemerkt. Bereits vor Jahren trafen unsere Schiffe hier ein und sorgten zunächst bei den Menschen für einige Aufregung. Es kostete uns Mühe, sie davon zu überzeugen, dass wir keine Invasionsflotte waren, sondern dass wir auf die Hilfe der Menschen angewiesen waren. Wir gingen in einen Orbit um den vierten Planeten – Mars und nahmen diplomatische Verhandlungen auf. Wir legten unsere Karten offen auf den Tisch – ich mag diese blumigen irdischen Metaphern – und zeigten den Verantwortlichen, wie es um uns bestellt war. Unsere letzten überlebenden Körper starben wenige Monate nach unserem Eintreffen. Wir machten das Angebot, Menschen zu infizieren und uns von ihren Körpern assimilieren zu lassen. Wir stellten in Aussicht, dass ein betroffener Mensch seine Eigenständigkeit behalten und gleichzeitig eine Steigerung seiner Intelligenz erleben würde. Es gab viele Freiwillige, aber auch Menschen, die sich scheuten, uns in sich aufzunehmen. Im Laufe der Zeit lernten wir, dass es auch menschliche Hüllen gab, die offenbar keine eigenständige Individualität mehr besaßen. Bei ihnen heißt das wohl Koma. Wir stellten einen Antrag, zu prüfen, ob wir nicht solche Körper beseelen dürften. Nach langen Debatten wurde uns diese Erlaubnis erteilt. Ich bin ein solches Exemplar. Ich trage nur eine rudimentäre menschliche Seele in mir, deshalb auch der für sie merkwürdige Name.«
»Sie wollen mir also allen Ernstes sagen, dass ihre ganze Rasse sich mit uns Menschen verschmolzen hat?«, fragte ich verständnislos.
»Genau so ist es«, bestätigte Rehlog, »ich betone jedoch ausdrücklich, dass wir der Menschheit in keiner Weise ihre Eigenständigkeit genommen haben. Wir sind nur hinzugetreten.«
Ich hatte noch immer Probleme, die Informationen zu verarbeiten, die ich soeben erhalten hatte.
»Hat das mit dem sogenannten Ausnahmezustand zu tun, in dem in der automatischen Sendung die Rede war, die ich empfangen habe?«, wollte ich wissen.
»Das mag etwas zu dramatisch klingen«, räumte Rehlog ein, »denn es gibt natürlich nicht wirklich einen Ausnahmezustand, wie die Menschen ihn bisher verstanden haben. Die Formulierung hat allerdings bisher schon häufig dazu geführt, dass Piloten von Schiffen, die von der Entwicklung hier nichts wussten, tatsächlich erst unsere Station hier angeflogen haben.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Und? Wozu ist das so wichtig?«
»Wir sind der Ansicht, dass wir niemanden unvorbereitet ins innere System einfliegen lassen sollten.«
»Werdet ihr mich auch infizieren?«, fragte ich vorsichtig. Rehlog muss mir wohl angesehen haben, dass mich dieser Gedanke ängstigte.
»Nicht, wenn sie das nicht wünschen«, sagte er. »Es gibt viele Menschen wie sie, die uns nicht in sich tragen. Wir respektieren den Willen unserer Gastgeber, das dürfen sie mir glauben.«
Mir kam mit einem Mal ein Gedanke. »Rehlog, als meine Kollegen ihren Exkurs zu eurem Planeten gemacht haben, kamen sie krank zurück. Kann es sein, dass sie dort noch von restlichen Glii infiziert wurden? Oder seid ihr vollständig von eurem Planeten geflohen?«
Rehlog schüttelte den Kopf. »Nein, ein Kollektivwesen wie wir Glii kann niemals vollständig von einem Ort an den anderen reisen. Immer bleiben Reste unserer Wesenheit irgendwo zurück. Ein solcher Verlust ist auch unerheblich. Sie liegen mit Ihrer Vermutung richtig. Ein Teil der Zurückgebliebenen hat die Chance ergriffen, den Planeten zu verlassen, als die Menschen dort eintrafen.«
»Wie können Sie da so sicher sein?«, wollte ich wissen, »Proxima Centauri ist etwa vier Lichtjahre weit entfernt. Wollen sie mir jetzt weismachen, sie stünden mit diesen Artgenossen in Verbindung?«
»Oh, ich nicht«, sagte Rehlog und machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand, »ich bin Bestandteil dieses Körpers, der hier vor Ihnen sitzt. Damit habe ich meine Verbindung zur Mutterintelligenz eingebüßt, aber die Mutterintelligenz, die es in einem Bunker auf der Erde noch gibt, spürt ihre Bestandteile auch über große Entfernungen. Sie hat gespürt, dass sich weitere Teile auf den Weg hierher gemacht haben. Sie hat auch gespürt, dass diese Teile der Glii zu Wenige waren, um das Wissen zur gefahrlosen Infizierung von Organismen zu besitzen. Mit anderen Worten gesagt, die Glii in Ihren Kollegen waren zu dumm. Sie schadeten ihren Wirtskörpern, weil sie an die Primatenspezies auf unserem alten Planeten gewohnt waren. Die Mutterintelligenz hat ihre ganze Kraft aufbringen müssen, wenigstens über eines der infizierten Individuen Kontakt aufzunehmen. Sie gab die Anweisung aus, die Körper einzufrieren. Ich bin glücklich, dass sie das auch getan haben. Unsere Leute haben die Körper während unseres Gesprächs bereits von ihrem Schiff geholt. Sie werden zur Zeit erwärmt und viele Glii aus dem Bunker der Mutterintelligenz kümmern sich darum, den Organismus der Menschen wieder zu beleben.«
»Sie machen was?«, fragte ich aufgeregt. »Sie wollen tote Körper beleben? Ich bin schon traurig genug über den Tod meiner Freunde. Sie müssen mich nicht auch noch auf diese geschmacklose Art und Weise veralbern!«
»Ich will Se nicht veralbern, Mr. Porter«, sagte Rehlog. »Nichts liegt mir ferner. Mit etwas Glück sind Ihre Kollegen nicht tot. Speziell das Individuum, mit dem die Mutterintelligenz Kontakt aufgenommen hatte, sollte noch leben. Da bin ich sicher.«
»Marian!?«, entfuhr es mir,.»Sie meinen, Marian lebt?«
»Wenn das der Name des Individuums ist – ja.«
»Kann ich sie sehen?«
Mir war plötzlich alles egal. Die Erde, die Außerirdischen, eine Invasion oder auch nicht – wenn ich nur Marian zurückbekommen konnte.
Rehlog musste mir angesehen haben, wie erregt ich war, denn er erhob sich und kam um den Tisch herum. Sanft legte er mir eine Hand auf die Schulter.
»Wir müssen noch warten«, sagte er. »Der Prozess ist kompliziert und wir dürfen keinen Fehler machen. Meine Mitarbeiter werden sich melden, sobald es soweit ist. Es wäre sicher im Sinne Ihrer Marian, wenn Sie etwas ruhiger wären, wenn wir sie nachher aufsuchen. Möchten Sie vielleicht jetzt etwas essen oder trinken?«
Ich blickte zu ihm hoch. Es war ein Mensch – zweifellos und doch entstammte das Meiste seiner Seele einer völlig fremden Zivilisation. In meinem Kopf drehte sich alles. Waren wir Menschen wirklich noch dieselben Menschen, die wir vorher waren, oder war die Menschheit so etwas wie ein Mischprodukt geworden? Mein Blick schwenkte umher. Überall saßen Leute an Tischen, aßen und unterhielten sich, manche lachten. Alles war so, wie er es kannte.
»Ich könnte einen Whisky vertragen«, sagte ich, »Ich glaube, den habe ich mir jetzt verdient. Gibt es hier so was?«
Rehlog lachte. »Einen Whisky also – den ersten nach vielen Jahren. Den sollen sie haben, Mr. Porter.«
Ich sah ihn an und musterte ihn. Rehlog war so natürlich und normal. Ich hatte bei ihm das Gefühl, einem Freund gegenüberzusitzen. Ich traf eine Entscheidung. »Wissen sie was? Nennen sie mich Collin.«
Rehlog winkte der Bedienung und bestellte zwei alte Glenfarclas.
»Ihr habt hier echten schottischen Single Malt Whisky?«, wunderte ich mich. »Und du – ich sage jetzt einfach du – trinkst so etwas? Ich fass es nicht.«
»Wieso Collin? Ihr Menschen habt da ein paar tolle Errungenschaften, und ich mag zwar von meiner Seele her ein Glii sein, aber ich bewohne schon seit Jahren diesen Körper und sehe mich selbst als Mensch. Wir Glii sind äußerst anpassungsfähig und darüber hinaus einfach nur glücklich und dankbar, in Euren Körpern weiterleben zu dürfen. Der Mensch, der ich bin, mag Whisky und schätzt ihn. Ich mag auch Wein oder dieses Getränk, das Ihr Bier nennt. Ich liebe die abwechslungsreiche Nahrung, die Ihr habt. Und ich weiß, dass alle Mitglieder meiner Spezies das ähnlich sehen. Infizierte Menschen profitieren von unserem geistigen Potenzial und möchten die Symbiose nicht mehr missen. Ich weiß, ich kann dir viel erzählen, aber du wirst es selbst erleben.«
Die Drinks kamen und wir prosteten uns zu.
Stunden saßen wir so beisammen und Rehlog erzählte mir, was sich seit meiner Abreise und vor allem seit der Ankunft der Glii alles verändert hatte und was immer noch so war, wie eh und je. Die Welt hatte sich weitergedreht, doch wie es schien, war es immer noch meine Welt und ich saß hier bei einem Außerirdischen in menschlicher Gestalt und plauderte mit ihm, wie mit einem alten Freund.
Schließlich war es soweit. Rehlog erhielt einen Anruf. Anschließend nickte er mir zu.
»Bist du so weit, Collin?«, fragte er. »Deine Freundin fragt nach dir.«
Ich sprang auf und stieß dabei fast den Tisch um.
»Wo ist sie?«, brüllte ich meine Frage durch den Raum, worauf die Gespräche an den Nachbartischen verstummten und mich alle anstarrten.
»Komm mit«, sagte Rehlog und zupfte an meinem Ärmel. »Ich führ dich hin.«
Ich weiß noch, dass wir durch endlose Gänge dieser riesigen Station liefen, jedoch kann ich mich nicht mehr an Einzelheiten erinnern. Meine Gedanken kreisten nur um einen Namen: Marian.
Wir betraten eine Abteilung, die schon auf den ersten Blick als Krankenabteilung zu erkennen war. Manche Dinge ändern sich auch nach Jahren nicht wesentlich. Rehlog deutete mit der Hand auf eine Tür. Eine Krankenschwester wollte mich erst am Betreten des Raumes hindern, doch sie trat beiseite, als Rehlog ihr sagte, dass es in Ordnung wäre.
Mit zittrigen Händen drückte ich auf den Öffnerkontakt und die Tür fuhr zur Seite. Da war sie – meine Marian, genau so schön, wie ich sie in Erinnerung hatte. Sie saß in einem Rollstuhl und sah mir lächelnd entgegen.
»Collin«, sagte sie und hob ihre Hände in meine Richtung.
Ich eilte zu ihr, kniete mich hin und drückte ihren warmen Körper an mich. Ich konnte nichts sagen, so dick war der Kloß in meinem Hals. Tränen rannen mir über die Wangen. Ich konnte es nicht verhindern und ich wollte es auch gar nicht. Mein Herz schlug bis zum Hals. Ich konnte mein Glück nicht fassen.
Ich löste mich etwas von ihr und betrachtete sie.
Marian sah meinen Blick. »Der Rollstuhl ist nur vorübergehend. Ich bin noch zu schwach, um aufzustehen.«
»Ich habe geglaubt, Du wärst tot«, flüsterte ich. »Es ist ein Wunder, dass ich Dich wiederhabe. Ich werde nicht zulassen, dass wir jemals wieder getrennt werden.«
Marians Augen strahlten mich an. »Das will ich hoffen. Ich möchte nur dieses ganze Weltall hinter mir lassen und mit dir auf der Erde neu anfangen.«
Sie bemerkte meinen prüfenden Blick. »Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Doch ... ich ... Vorhin saß ich mit einem Außerirdischen in der Kantine am Tisch, einem Glii. Er hat mir alles erklärt. Er sagte auch, seine Mutterintelligenz hätte mit ihren Teilen in Deinem Körper Kontakt aufgenommen, damit Du mit mir sprechen kannst – damals im Schiff.«
»Ja? Und?« Sie lächelte noch immer. »Was möchtest Du wissen?«
»Wenn ich dich anschaue, sehe ich meine Marian, und mir springt beinahe das Herz aus meiner Brust. Aber du bist sicher auch eine Glii, oder nicht? Wenn ich Dich jetzt küsse, wen küsse ich dann? Marian oder eine Glii?«
Sie strich mir mit der Hand über die Wange. »Du hast Angst, ich könnte eine Fremde sein? Du hast Recht, dass ich Glii in mir trage. Sie sind dafür verantwortlich, dass man mich erwecken konnte. Sie werden auch weiterhin in mir wohnen, aber sie sind es, die sich mit mir identifizieren und nicht umgekehrt. Wir sind in Symbiose, aber ich kann dir versichern, dass diese Verbindung Marian ist. Ich weiß, das ist im Moment viel für Dich. Aber ich bitte darum, dass Du mich jetzt endlich küsst ...«
Da gab es für mich kein Halten mehr und ich küsste sie wie ein Ertrinkender. Ich weiß, das klingt furchtbar kitschig, aber genau so fühlte es sich für mich an.
Wir küssten einander immer wieder. Die Gespräche, die wir dabei führten, dürften für die Nachwelt nicht sehr interessant gewesen sein. Uns war das gleich. Wir fühlten uns wohl dabei.
Bald würden wir eine Passage vom Titan zur Erde bekommen - nach Hause, doch bereits jetzt hatte ich das überwältigende Gefühl, heimgekehrt zu sein.