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Südsee
Trevor zeichnete mit seinem großen Zeh Striche in den feuchten Sand und ließ sein Gesicht von der Sonne bescheinen.
»Was tust du da?«, fragte seine Ehefrau Dawn.
Trevor ließ sich auf den Rücken fallen und wandte sich ihr zu. »Ach nichts. Ich genieße einfach diese herrliche Idylle.«
Dawn lächelte ihm zu und streckte ihren durchtrainierten Körper. Sie suchte die Bucht ab, in der sie lagen, und stellte fest, dass sie vollkommen allein waren. »Willst du die ganze Zeit hier herumliegen? Keine Lust auf etwas Aktivität?«
Trevor fuhr hoch. »Jetzt? Hier?«
Sie lachte hell und warf ihre langen Haare zurück. »Nicht, was du jetzt denkst. Ich wollte schwimmen gehen. Das Wasser ist so angenehm wie eine Badewanne. Wir könnten nackt baden und keiner würde es bemerken. Außer uns ist niemand hier.«
Sie kicherte, als sie Trevors enttäuschtes Gesicht sah. Schnell beugte sie sich zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuss. »Für das Andere ist später noch genug Zeit.«
Sie erhob sich und streifte mit lässigen Bewegungen ihren Bikini ab. Trevor beobachtete sie dabei und genoss immer wieder den Anblick dieser makellos schönen Frau. Ihre Haut hatte inzwischen eine nahtlose Bräune, um die man sie daheim beneiden würde. Sie wusste genau, wie sie auf ihn wirkte, und zwinkerte ihm zu, während ihr Blick auf seine Badehose fiel.
Er richtete sich auf, um nach ihr zu greifen, doch sie wandte sich zum Strand und lief ins flache Wasser, bis es tief genug war, und tauchte dann kopfüber unter.
Er presste die Lippen aufeinander und blickte hinterher. »Dieses kleine Aas«, murmelte er. »Aber was soll’s? Hier ist ja sonst niemand.«
Er erhob sich, streifte seine Badehose ab und rannte ihr hinterher. Dawn war schon ein Stück hinausgeschwommen, aber er folgte ihr mit kraftvollen Zügen. Als er sie erreicht hatte, tollten sie wie die kleinen Kinder im Wasser. Sie spritzten sich gegenseitig nass, tauchten einander unter und klammerten sich aneinander. Zwischendurch tauschten sie leidenschaftliche Küsse und machten schließlich auf einem kleinen flachen Felsen, der zweihundert Meter vor der Bucht aus dem Wasser ragte, eine Pause. Nachdem sie zu Atem gekommen waren, rollte Trevor sich auf die Seite und bewunderte den Körper seiner Frau. Sie bemerkte es und lächelte.
»Gefällt dir, was du siehst?«, fragte sie.
»Sehr. Und du weißt das auch.«
Sie ließ ihren Blick über seinen Körper gleiten und nickte. »Ich kann mich allerdings auch nicht beklagen.«
Sie blickte sich um. »Wir sind noch immer allein. Was hattest du doch gleich vorhin für eine Idee? Mir scheint, so richtig erschöpft bist du noch nicht, oder irre ich mich?
Trevor legte eine Hand in ihren Nacken und zog ihren Kopf sanft in seine Richtung. Diesmal entzog sie sich ihm nicht, sondern erwiderte seine Küsse leidenschaftlich.
Sie liebten sich auf diesem Felsen mitten im Ozean und für eine Weile gab es nur sie beide.«
Erschöpft lagen sie später nebeneinander auf dem Felsen und streichelten sich gegenseitig über die Haut. Trevor konnte es nie fassen, wie zart und weich sich Dawns Haut anfühlte.
»Weißt du, dass dies der schönste Urlaub ist, den wir je zusammen verbracht haben?«, fragte er. »Ich wollte ja ursprünglich nicht hierher, aber es ist einfach toll hier. Vor allem natürlich, weil es auch zwischen uns wieder funktioniert. Ich weiß ja, dass ich ...«
Sie legte ihm einen Finger über die Lippen. »Nicht, Trevor ... Mach es nicht kaputt. Genieße das Leben. Du weißt, dass ich dich liebe.«
Er seufzte. »Ja, das weiß ich. Und manchmal frage ich mich, womit ich dich verdient habe.«
Sie schmunzelte. »Wer sagt, dass du mich verdient hast?« Sie sah sich um. »Vielleicht sollten wir zum Strand zurückschwimmen. Wenn ich ehrlich bin, hab ich Hunger, und wir könnten im Hotelrestaurant eine Kleinigkeit essen, bevor wir uns für den Abend zurechtmachen.«
Trevor stimmte zu. »Gut, aber wir könnten ein kleines Wettschwimmen machen.«
»Wettschwimmen? Was bekomme ich, wenn ich gewinne?«
»Du wirst nicht gewinnen.«
»Und wenn doch?«
Er überlegte. »Dann darfst du dir was wünschen. Aber das gilt auch für mich.«
»Okay!«, rief sie und sprang mit einem Satz ins Wasser. Als Trevor hineinsprang, hatte sie bereits einen Vorsprung.
Er war ein guter Schwimmer, doch Dawn war ebenfalls gut in Form, und es gelang ihm bis zum Strand nicht, sie zu überholen.
»Ich hab einen Wunsch frei«, stieß sie keuchend und außer Atem hervor, als sie bei ihrer Decke ankamen und ihre Badesachen anzogen.
»Du hast geschummelt«, warf er ihr vor. »Du bist ins Wasser gesprungen, obwohl das Wettschwimmen noch nicht begonnen hatte.«
»Hab ich nicht! Außerdem hattest du auf zweihundert Metern genügend Gelegenheit, mich zu schlagen.«
Trevor ließ es auf sich beruhen. Sie packten ihre Sachen zusammen und liefen Hand in Hand zurück zum Hotel. Das Luxushotel machte schon von Weitem einen futuristischen Eindruck, und eigentlich wirkte es wie ein Fremdkörper in dieser Südseeidylle. Doch drinnen war es luxuriös und komfortabel. Ihre Suite hatte die Ausmaße einer Luxuswohnung und der Ausblick vom Balkon war atemberaubend.
Als sie die Drehtür zum Foyer durchschritten, fröstelten sie einen Moment, da die Räume innerhalb des Gebäudes selbstverständlich voll klimatisiert waren. Die Angestellte am Hotel-Counter lächelte ihnen freundlich zu und überreichte ihnen ungefragt ihren Schlüssel zur Suite.
»Ist das Restaurant schon geöffnet?«, fragte Dawn.
»Es öffnet erst in einer halben Stunde«, sagte sie mit Bedauern in der Stimme. »Sie könnten sich in der Zwischenzeit einen Drink an der Bar gönnen, wenn Sie mögen.«
Trevor schüttelte den Kopf. »Wir gehen erst auf unser Zimmer. In diesem Aufzug möchten wir auch nicht an die Bar.«
Die Angestellte lächelte, sagte jedoch nichts weiter.
Als sie im Aufzug standen und sie die Kabine in Bewegung setzte, um sie ins 41. Stockwerk zu bringen, fiel Trevor etwas ein: »Sag mal, welchen Tag haben wir heute? Meine ganze Zeitrechnung ist hier durcheinandergekommen.«
»Wir haben Freitag, glaube ich.«
»Das bedeutet, wir müssen morgen abreisen.«
Dawn überlegte. »Du hast recht. Dann war das bereits unser letzter Ausflug an den Strand?« Sie machte ein enttäuschtes Gesicht. »Dass Urlaub immer so schnell vorübergehen muss ...«
Ein Glockenton wies darauf hin, dass sie ihr Stockwerk erreicht hatten. Die Tür öffnete sich und sie traten auf den Flur hinaus, nur, dass da nichts mehr war. Kein Flur, kein Boden, überhaupt nichts. Ihre Schritte gingen ins Leere und ein Panik erzeugendes Gefühl des Fallens machte sich in ihnen breit. Dawn hielt sich krampfhaft an Trevor fest, dass es beinahe schmerzte. Es war das Letzte, was sie empfanden, bevor ein gnädiger Schlaf ihr Bewusstsein auslöschte.
Als Trevor erwachte, wurde er von einer grellen Lampe geblendet, und er schloss die Augen wieder.
»Hey, nicht wieder einschlafen, Mister!«, rief eine unangenehme Frauenstimme. Eine Hand patschte gegen seine Wange. »Los! Augen auf! Wir haben nicht alle Zeit der Welt! Andere wollen auch an die Reihe kommen.«
Er öffnete ein Auge. »Was ist denn los? Was wollen Sie von mir?«
»Genug geschlafen! Richten Sie sich auf, damit Sie den Kaffee trinken können.«
Er öffnete das zweite Auge. Inzwischen gewöhnte er sich an das grelle Licht. Sein Blick wanderte umher, und ihm gefiel ganz und gar nicht, was er sah. Er befand sich auf einer abgewetzten Liege, von denen es in dem Raum, in dem er sich befand, noch weitere gab. Alle waren von schlafenden Männern und Frauen belegt. Mühsam richtete er sich auf und setzte sich auf die Kante der Liege. Die Frau, die ihn angesprochen hatte, stand direkt vor ihm und schaute ihm forschend in die Augen.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie. »Ihren Arm!«
»Was?«
Sie schaute ihn gelangweilt an. »Strecken Sie Ihren Arm aus!«
Trevor hielt ihr den Arm entgegen und sie tastete am Handgelenk nach seinem Puls.
»Na, ist doch ganz ordentlich«, sagte sie und hielt ihm einen Pappbecher unter die Nase. »Ihr Kaffee. Trinken Sie ihn und dann machen Sie die Liege frei. Wir hinken bereits im Zeitplan hinterher.«
Trevor schüttelte den Kopf, um die Spinnweben zu vertreiben, die seine Gedanken noch immer lähmten. »Was ist denn überhaupt los? Wie komme ich hierher?«
Die Frau verdrehte die Augen. »Mein Gott, schon wieder so einer, der nicht zurückfindet.«
Sie hielt eine Mappe in der Hand und schlug sie auf. »Trevor Jablonski, 42 Jahre, ledig, Arbeiter in der Müllverwertung. Buchung für zwei Wochen Südsee, Luxuspaket. Klingelt da nichts bei Ihnen? Sie hatten einen Traumurlaub gebucht. Zwei Wochen Südsee, und dieser Traum ist jetzt vorbei, verstehen Sie? Willkommen in der Realität. Und jetzt machen Sie endlich die Liege frei.«
»Warten Sie! Was haben Sie vorgelesen? Traumurlaub? Ich bin ledig? Aber ich habe den Urlaub nicht allein verbracht. Ich habe eine Frau. Ich bin zusammen mit meiner Frau dort gewesen!«
»Sehen Sie zu, dass Sie Ihren Kopf wieder klar bekommen. Sie sind nicht verheiratet, allerdings sehe ich hier, dass Sie ausdrücklich eine Begleitung gebucht haben. Vermutlich irritiert Sie das.«
»Dann war meine Frau nichts weiter als ein Bestandteil des Traums?«, fragte Trevor enttäuscht und auch etwas verzweifelt.
Die Frau lachte humorlos auf. »Soweit geht unser Traumservice nun auch wieder nicht. Eine virtuelle Traumbegleiterin nach eigenen Wünschen kostet keine Kleinigkeit. Das können Sie sich als Recycling-Mann nicht leisten. Aber wir haben schließlich auch weibliche Kunden, die sich für ihren Urlaub eine Begleitung wünschen. Unser System sucht anhand der Datenerhebung vor Verabreichung des gebuchten Traums nach passenden Kunden, die infrage kommen, für die Dauer des Traums kombiniert zu werden. Sie sind lediglich auf eine Kundin getroffen, die gleichzeitig die Südsee gebucht hat, das ist alles. Wenn Ihnen das Arrangement gefallen hat, geben Sie uns eine gute Bewertung im Web.«
Sie deutete mit der Hand zum Ausgang der Halle. »Und jetzt gehen Sie endlich. Ihr Urlaub ist vorbei.«
Irritiert ließ er sich von der Liege gleiten und lief auf wackeligen Beinen zum Ausgang. Die Frau kümmerte sich nicht weiter um ihn. Allmählich drang die Wirklichkeit wieder zu ihm durch und er erinnerte sich daran, einen Traumurlaub gebucht zu haben. Eine wirkliche Reise kam bei seinem geringen Einkommen nicht infrage und seine Kollegen hatten ihm vorgeschwärmt, wie toll diese Traumurlaube wären. Man müsse auf nichts verzichten, alles wäre täuschend echt und es kostete kein Vermögen.
Er musste zugeben, dass sie recht gehabt haben. Er hatte tatsächlich das Gefühl, in der Südsee gewesen zu sein.
Im Foyer der Einrichtung gab es einen Schalter, an dem er seine persönlichen Sachen abholen konnte. An seinem Handgelenk hing noch das Armband mit den Daten seiner Urlaubsbuchung. Er trat an den Schalter, wo ein junges Mädchen auf sein Armband blickte. Sie war entschieden freundlicher als die Frau, die ihn geweckt hatte.
»Hatten Sie einen schönen Urlaub?«, fragte sie lächelnd.
»Ja, danke, den hatte ich wirklich.«
»Das freut mich für Sie«, sagte sie. »Vielleicht buchen Sie ja dann irgendwann erneut bei uns. Dreamdays würde sich freuen, auch Ihren nächsten Urlaub zu inszenieren.«
»Ich werde es mir überlegen«, sagte Trevor, noch immer etwas benommen.
»Darf ich eben ihr Armband scannen? Ich hole Ihnen dann Ihre Sachen.«
Als das Mädchen gegangen war, bemerkte Trevor eine Frau von vielleicht Mitte vierzig am Schalter neben seinem. Auch sie wartete auf ihre persönlichen Sachen. Sie lächelte, als sich ihre Blicke trafen. »Ihr Urlaub ist auch vorbei?«, fragte sie.
Trevor nickte.
»Darf man fragen, wo Sie waren?«, fragte sie. »Man will ja vielleicht auch später mal was anderes buchen. Ich bin immer interessiert daran, wie es an anderen Zielen ist.«
»Ich hatte zwei Wochen Südsee. War wirklich ganz toll. Kann ich empfehlen.«
»Südsee?«, fragte sie.
»Was ist daran so verwunderlich?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Es ist nur ... Ich hatte auch zwei Wochen Südsee.«
Sekundenlang starrten sie sich an und bekamen erst nicht mit, dass das Mädchen mit den Sachen für sie beide zurückgekommen war.
Trevor fand seine Sprache zuerst wieder. »Ich heiße Trevor Jablonski. Wäre es unverschämt, Sie nach Ihrem Namen zu fragen?«
Ihr Gesicht zeigte ein sympathisches Lächeln, das immer breiter wurde. »Nein, das ist nicht unverschämt. Ich heiße Dawn. Dawn Browning.«
»Dawn!«
»Ja. Und Sie heißen Trevor? Und waren zwei Wochen in der Südsee?«
Er grinste. »Genau. Und ich denke, wir sollten uns irgendwie kennen, nicht wahr?«
»Ja, irgendwie schon.«
Trevor sah die Frau an. Sie hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit seiner Begleiterin aus dem Urlaubstraum, aber auch seine Erscheinung war dort arg geschönt gewesen. Es waren ihre Augen, die den Ausdruck hatten, den er aus dem Urlaub kannte, und den er liebte. Auch sie taxierte ihr Gegenüber und schien nicht enttäuscht zu sein.
»Sagen Sie, Dawn, wie wäre es, wenn wir zusammen noch etwas trinken, und den Urlaub dabei ausklingen lassen?«
»Trevor, das ist eine hervorragende Idee«, sagte sie lächelnd. »Aber hör auf, mich zu siezen! Und eines muss dir noch klar sein.«
Trevor sah sie fragend an. »Und das wäre?«
»Ich habe noch einen Wunsch frei!« Lachend hakte sie sich bei ihm ein und beide verließen kichernd gemeinsam die Urlaubsagentur.