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Glücksmusik
»Hören Sie es sich doch erst einmal an«, sagte der Mann und sah mich eindringlich an.
Seine blassblauen Augen hatten eine beinahe suggestive Wirkung auf mich, doch ich schüttelte es ab, flüchtete hinter meinen Schreibtisch und setzte mich.
»Wer hat sie hereingelassen?«, fragte ich ihn unfreundlich.
»Ihre Sekretärin«, sagte der Fremde, trat an meinen Schreibtisch und schob mir seine Karte entgegen. Ich nahm sie in die Hand und las:
Peter T. Wollny, PR-Concept-Technik
Als ich meinen Blick wieder hob, hat er vor mir auf dem Stuhl Platz genommen, ohne dass ich ihn dazu aufgefordert habe.
»Also Herr ...«, ich drehte die Karte in meiner Hand, »... Wollny, ich muss gestehen, dass ich die Art, wie Sie hier auftreten, nicht sonderlich schätze. Wie kommen Sie darauf, dass mich das, was Sie mir erzählen wollen, überhaupt interessiert? Und in der Regel vergebe ich Termine. Ich habe einen recht engen Zeitplan.«
Der Mann lächelte leicht, wie jemand, der spürt, dass er den anderen am Haken hat.
»Sie verkaufen industriell gefertigte Lebensmittel und Sie haben gewisse Probleme, diese auf dem Markt abzusetzen.«
Ich wollte etwas sagen, doch er unterbrach mich mit einer Handbewegung. Ich ärgerte mich, ihm so leicht das Feld zu überlassen und ihn reden zu lassen.
»Es ist nicht, dass Ihre Waren schlecht wären«, fuhr der Mann fort. »Es ist die schwierige Marktlage – Ihre Konkurrenten. Sie müssen nichts sagen, ich habe meine Hausaufgaben gemacht und mich sehr genau über Ihre Firma informiert. Was ich Ihnen anzubieten habe, ist eine Technologie, die es Ihnen ermöglichen wird, in kürzester Zeit zum Marktführer aufzusteigen. Was wäre Ihnen eine solche Technologie Wert?«
»Ich sage Ihnen gleich, dass wir bereits einen Vertrag mit einer PR-Firma haben, die uns ein Vermögen kostet. Und ich denke nicht im Traum daran, ein weiteres Vermögen zu investieren, nur um noch mehr heiße Luft zu kaufen. Ich denke, unser Gespräch ist beendet.«
Der Mann zeigte sich unbeeindruckt.
»Das denke ich nicht, denn Sie wissen noch nicht, wovon ich eigentlich spreche. Ich biete zwar eine gewisse Art von Werbung an, doch sie hat ganz sicher nichts mit dem zu tun, das sie von Ihrer anderen Agentur bekommen. Wenn Sie sich meine Karte genau ansehen, werden Sie erkennen, dass dort ›PR-Concept-Technik‹ steht. Wir bieten eine vollkommen neue Technologie an, die einen unbedingten Erfolg garantieren wird.«
»Da bin ich aber gespannt«, sagte ich in einem Ton, der meine Worte Lügen strafte. Ich wollte diesen Kerl einfach nur noch loswerden. Ich habe täglich mit solchen Genies zu tun, die mir eine Kampagne aufschwatzen wollen, und es im Grunde nur auf mein Geld abgesehen haben.
Wollny lehnte sich bequem zurück. »Sicher setzen Sie in Ihren Filialen auch Unterhaltungsmusik ein, nicht wahr? Es gibt Gutachten, die beweisen, dass bestimmte Musik das Kaufverhalten eines Kunden positiv beeinflussen kann.«
»Das ist nun wirklich nichts Neues!«, fuhr ich ihm in die Parade. »Das wollen Sie mir als Innovation verkaufen?«
»Warten Sie doch ab! Wie wäre es, wenn es eine Möglichkeit gäbe, Musik mit einem Produkt oder einer Produktgruppe fest zu verknüpfen? Der Kunde würde die Musik hören und den unbedingten Wunsch verspüren, genau dieses Produkt zu kaufen. Das Ganze würde nach außen genauso aussehen wie bisher, nur dass es unsere Technologie wäre, die das System steuert. Sie können sich bestimmt vorstellen, dass Ihre Umsätze sprunghaft steigen würden. Daran würden selbstverständlich auch wir partizipieren wollen. Was sagen Sie? Neugierig geworden?«
Ich musste gestehen, dass es tatsächlich der Fall war. Allerdings war Musikbeschallung in den Märkten ein alter Hut.
»Ich sehe noch immer nichts wirklich Bahnbrechendes«, wandte ich ein. »Musik spielen wir schon lange, und dass Menschen über die im TV gezeigten Spots bestimmte Musik mit den Produktnamen in Verbindung bringen, ist auch nicht neu.«
»Ich denke, ich spanne Sie nicht länger auf die Folter«, sagte Wollny. »Wir haben ein System entwickelt, mit dem wir beim Menschen … sagen wir mal … gewisse Informationen direkt im Hirn ablegen, die ihnen erst unter bestimmten Umständen zugänglich werden – und zwar auf eine so subtile Art und Weise, dass sie sich dieser Tatsache nicht bewusst werden. Sie haben doch sicherlich schon etwas vom limbischen System gehört. Es ist ein Teil des Hirns, der Triebverhalten und Emotionen steuert. Außerdem ist das limbische System verantwortlich für die Ausschüttung des Glückshormons Endorphin. Wir haben einen Projektor entwickelt, der im limbischen System eine Melodie, zusammen mit einem Produkt verankert. Ein Kunde, der in den Fokus eines unserer – äußerst unauffälligen - Projektoren gerät, wird mit dem latenten Wunsch, ein bestimmtes, vorher eingestelltes Produkt zu kaufen, geprägt. Er spürt davon nichts, aber wenn nun über die Lautsprecher das passende Lied gespielt wird, aktiviert es im bereits geprägten Kunden ein vorbeitetes Programm. Der Drang, die verknüpfte Ware zu kaufen, wird übermächtig und er wird den gesamten Laden durchstreifen, bis er gefunden hat, was er sucht. In dem Moment, da er es gefunden hat, wird er von einem überwältigenden Glücksgefühl erfüllt sein, was in ihm die letzten Widerstände zusammenbrechen lässt. Das Gute ist, dass die Behandlung dauerhaft ist, das heißt, der Kunde wird auch später das Produkt kaufen, wenn die entsprechende Musik gespielt wird. Ich muss nicht betonen, dass man dem limbischen System eine ganze Reihe solcher Verknüpfungen aufprägen kann.«
Er breitete seine Arme aus und sah mich erwartungsvoll an. »Was sagen Sie? So etwas muss doch Ihr Händlerherz höher schlagen lassen.«
Ich konnte kaum fassen, was ich da hörte. Sicher, ich war Händler und lebte vom Verkauf meiner Waren, doch allein der Gedanke, meine Kunden zu willenlosen Sklaven ihrer Begierden zu machen, verursachte mir Übelkeit. Auch ich war schließlich nicht nur Händler, sondern auch Konsument. Würde ich es wollen, als Kunde so ...?
»Soll ich ganz ehrlich sein?«, fragte ich. »Die Vorstellung, die Kundschaft auf so niederträchtige Weise zu beeinflussen, finde ich entsetzlich! Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Einsatz einer solchen Technologie legal ist. So gern ich auch Geld verdiene – aber das kann ich nicht verantworten. Ich denke, unser Gespräch ist jetzt und hier beendet.«
Wollny erhob sich und zuckte mit den Schultern. »Ich habe erwartet, Sie wären neuen Technologien gegenüber aufgeschlossener. Ich denke, Sie werden es sich überlegen, denn Ihre ... Mitbewerber ... haben ganz sicher nicht solche konservativen Vorbehalte, das darf ich Ihnen versichern. Behalten Sie meine Karte. Ich denke, Sie werden sie noch brauchen.«
Mit diesen Worten wandte er sich zum Gehen und verließ mein Büro. Minutenlang starrte ich die Tür an, durch die er gegangen war, und grübelte über das eben Gehörte. Dann drängte ich den Gedanken zurück. Ich habe mich richtig entschieden - da war ich sicher.
Als ich gegen Abend Feierabend machte und mein Büro abschloss, saß meine Sekretärin noch in meinem Empfang und arbeitete.
»Lisa, machen Sie doch für heute Schluss«, sagte ich zu ihr. »Sie haben einen Workaholic zum Chef, aber das bedeutet nicht, dass ich erwarte, dass Sie auch so lange bleiben.«
Sie lächelte mich dankbar an und fuhr ihren Computer herunter.
»Wenn Sie einen Moment warten, komme ich mit Ihnen«, sagte sie. »Ich muss nur noch unten im Laden eine Kleinigkeit einkaufen, sonst habe ich nachher nicht einmal ein Abendessen.«
Ich lachte. »Wo Sie das sagen: Ich brauche selbst ein paar Dinge. Da leitet man eine Lebensmittel-Supermarktkette und findet nicht mal die Zeit, sich das Wichtigste während normaler Zeiten zu kaufen.«
Wir fuhren mit dem Lift ins Erdgeschoss, wo der Laden war, der einmal der Erste einer ganzen Reihe ähnlicher Läden war. Wir betraten die Geschäftsräume, nahmen uns einen Einkaufswagen und machten uns auf den Weg, unser Überleben zu sichern, wie ich es nannte. Viel war um diese Zeit nicht mehr los und einige der Verkäuferinnen langweilten sich. Ich hatte schon verschiedene Waren in den Wagen gelegt, und auch Lisa hatte etwas dazugelegt, als mir ein paar eigenartige Kuppeln an der Decke auffielen.
Ich rief den Filialleiter. »Was sind das für Dinger, dort unter der Decke?«
»Die neuen Überwachungskameras«, antwortete er. »Das müssen Sie doch wissen. Soweit ich weiß, haben Sie das doch persönlich in Auftrag gegeben. Die Techniker haben den ganzen Tag daran gearbeitet.«
»Ich soll das veranlasst haben?«, fragte ich. »Ich weiß davon überhaupt nichts.«
Kritisch musterte ich die Kuppeln. Es waren Halbkugeln, an denen je vier Kameras angebracht waren. Die Kuppel rotierte leicht und manchmal, wenn sie scheinbar etwas fixiert hatte, blieb sie stehen. Im Moment schien die Optik mich genau im Visier zu haben. Ich fragte mich, wo die Monitore sein mochten, die zu diesen Kameras gehörten.
»Ich kläre das morgen mit unserer Sicherheitsabteilung«, sagte ich zum Geschäftsführer. »Jetzt habe ich keine Lust mehr dazu und möchte nach Hause. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.«
Vor dem Laden verabschiedete ich mich von Lisa und wünschte auch ihr noch einen schönen Abend, doch als ich mitbekam, dass sie zu Fuß nach Hause musste, bot ich an, sie ein Stück zu begleiten. Wir unterhielten uns über einige Belanglosigkeiten, als wir an einem Autohaus vorbeikamen. Aus einem Außenlautsprecher ertönte eine leise Musik. Ich registrierte, dass es sich um eine Musik aus einem Werbespot von Mercedes handelte. Mit einem Mal schien diese Musik in mir übermächtig zu werden. Sie füllte mich vollkommen aus, und allein der Gedanke, mich ihr hinzugeben, war der Gipfel der Verheißung. Ich begann zu singen.
»Was ist mit Ihnen?«, fragte Lisa mit besorgtem Blick.
»Nichts«, sagte ich. »Was soll mit mir sein?«
Ich blickte an ihr vorbei ins Autohaus. Dort standen – in einer Reihe – einige Mercedes-Modelle der Luxusklasse. Diese Fahrzeuge waren der absolute Wahnsinn. Ich selbst fuhr einen BMW, doch gegen diese Fahrzeuge war das ein Witz. Ich beachtete Lisa nicht weiter, sondern lief wie automatisch auf den Eingang des Autohauses zu.
»Sie haben doch irgendetwas!«, rief Lisa mir hinterher.
»Ich muss einen Mercedes kaufen«, rief ich über die Schulter und betrat den Laden. Allein der Gedanke, dass ich gleich einen solchen Wagen besitzen würde, bescherte mir ein Glücksgefühl, wie ich es sonst nur beim Sex erlebt hatte. Doch was scherte mich das? Ich wollte so ein Auto. Ich hatte Glück. Der Verkäufer war äußerst zuvorkommend, und nachdem die Finanzierung geklärt war, hatte er nichts dagegen, dass ich gleich drei von seinen Autos kaufte. Er war sogar so freundlich, mir gleich einen Leihwagen zur Verfügung zu stellen, damit ich mit einem meiner geliebten Modelle nach Hause fahren konnte. Es war unbeschreiblich. Ich war von einem Klingen und einer Melodie erfüllt, die mich nicht mehr loslassen wollte. Als ich wieder etwas klarer denken konnte, registrierte ich, dass meine Sekretärin schon lange fort war, doch was kümmerte mich das? Ich wollte mein Glück in vollen Zügen genießen.
Erst am nächsten Morgen, als ich mit meinem fantastischen Leihwagen ins Büro fuhr und Lisa mich etwas abweisend begrüßte, begann ich zu überlegen.
»Entschuldigen Sie Lisa. Ich hatte Sie gestern nach Hause begleiten wollen, aber … dieses Autohaus ...«
»Was war denn mit Ihnen gestern los, Chef?«, fragte sie. »So hatte ich Sie noch nie erlebt.«
»Ich weiß auch nicht ...«
Ich wandte mich meinem Büro zu. Ich konnte und wollte ihr nicht erklären, was ich am Abend vorher getan hatte.
»Ach ja«, sagte Lisa. »Herr Wollny wartet bereits auf Sie. Er sagte, er hätte einen Termin mit Ihnen.«
Nervös öffnete ich die Tür zu meinem Büro und sah den Mann vom Vortag, der sich lässig auf dem Stuhl vor meinem Schreibtisch fläzte.
»Was wollen Sie hier?«, fuhr ich ihn wütend an. »Sie wissen ganz genau, dass wir keinen Termin haben. Verschwinden Sie! Und zwar sofort!«
Wollny lächelte mich überheblich an. »Guten Morgen. Gefallen Ihnen Ihre neuen Autos?«
Ich war bis zu diesem Moment noch immer von dieser beglückenden Melodie erfüllt gewesen, die mich seit dem Vorabend nicht mehr losgelassen hatte, doch jetzt mischten sich einige dissonante Klänge hinein.
»Was meinen Sie damit?«
»Nun, ich hatte Ihnen erklärt, welches Produkt wir Ihnen anzubieten haben. Hatte ich vergessen, zu erwähnen, dass wir eine Demo-Installation in ihrem Laden angebracht haben? Sie haben offenbar im Fokus unserer Anlage gestanden. Ich könnte Ihnen sagen, auf welche Produkte wir Sie geprägt haben, aber ich möchte Ihnen die Spannung nicht nehmen. Mercedes kennen Sie ja bereits ...«
Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter.
»Sie müssen das rückgängig machen!«, rief ich mit brüchiger Stimme. »Sofort!«
Wollny lehnte sich entspannt zurück. »Wie ich sehe, sind wir endlich im Geschäft. Selbstverständlich sind wir bereit, Ihre Prägung wieder zu entfernen. Allerdings wird Sie das eine Kleinigkeit kosten und die Bedingungen werden nun wir Ihnen diktieren und nicht umgekehrt. Haben wir uns verstanden?«
Ich spürte, wie mich mein Mut verließ. Sie hatten mich an der Angel. Ich vernahm noch immer diese Musik, die mich am Abend in das Autohaus gelockt hatte, doch sie erschien mir plötzlich nicht mehr verheißungsvoll und das Glücksgefühl hatte mich schlagartig verlassen.
»Was wollen Sie?«, fragte ich mit zittriger Stimme.
»Sehen Sie, jetzt haben wir uns endlich verstanden«, sagte Wollny und grinste mich an. »Wir sollten mit einem guten Tropfen anstoßen, denn dies wird der Beginn einer langen und guten Geschäftsbeziehung sein ...«
»Damit kommen Sie nicht durch«, sagte ich.
»Meinen Sie?«, fragte Wollny und holte einige Papiere aus seiner Aktentasche. »Ich habe da ein paar Verträge vorbereitet.«
Mir platzte beinahe der Kragen. »Ihre Verträge können Sie sich ...«
In diesem Moment begann Wollnys Mobiltelefon zu klingeln und die Melodie kam mir bekannt vor. Wollny ging nicht ran, sondern beobachtete mich nur aufmerksam.
Diese Melodie ... Sie hatte irgendetwas zu bedeuten ...
Vielleicht haben wir ja doch noch etwas zu besprechen ... Ach ja, die Verträge. Man sollte auf ihren Abschluss anstoßen. Ich ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt breit.
»Lisa, wären Sie so nett und bringen Herrn Wollny und mir eine Flasche unseres Champagners aus dem Laden?«
Ich schloss die Tür wieder und wandte mich Wollny zu. Was tat ich hier eigentlich? Ich setzte mich hinter meinen Schreibtisch und griff nach den Papieren. Wo zum Teufel blieb der Champagner?
Wollny sah mich nur an und schwieg. Warum auch nicht? War noch etwas zu besprechen? Ich zog meinen Lieblingskugelschreiber aus der Schublade und blätterte unmotiviert in den Vertragsunterlagen.
»Wo muss ich unterschreiben?«
Ich setzte meine Signatur unter den Vertrag und fühlte mich unsagbar glücklich. Lisa kam herein und betrachtete Wollny und mich mit undeutbarer Miene. Sie stellte eine Flasche unseres besten Champagners und zwei Gläser auf den Schreibtisch. Ihre Miene war eine einzige Frage. Sie schien auf etwas zu warten, doch ich schickte sie aus dem Büro.
Nach dem ersten Glas war ich einer Ekstase nahe, und dann wusste ich nichts mehr.
Viel später – Wollny war längst weg, die Flasche leer – kehrte die Realität mit aller Macht zurück. Was hatte ich getan?
Die Verträge lagen noch immer vor mir auf dem Tisch. Zum ersten Mal sah ich sie interessiert an und begann, sie zu lesen. Mit jedem Abschnitt wurde mein Entsetzen größer. Diese Schweine hatten mich geprägt und ich wusste nicht einmal, welche Auslöser es waren und was sie bewirkten. Und ich hatte ihnen jetzt auch noch das Recht eingeräumt, alle meine Filialen mit ihrem System auszustatten und meine Kunden zu Sklaven von Bedürfnissen zu machen, von denen sie nicht einmal etwas ahnen. Das konnte ich nicht zulassen.
Beherzt griff ich zum Telefonhörer und wollte die Nummer der Polizei wählen, doch meine Hand wollte einfach nicht die entsprechenden Tasten drücken. Es war mir nicht möglich. Sie hatten mich komplett an der Angel. Ich konnte absolut nichts tun.
Ein Zettel! Ich würde einfach einen Zettel nehmen und für mich persönlich aufschreiben, was geschehen ist. Vielleicht gelang mir das ja.
Ich versuchte es und tatsächlich ... dieser Weg war mir nicht verwehrt. Es wurden zwei Seiten, bis ich alles niedergeschrieben hatte. Schweißgebadet legte ich die Seiten auf die Verträge und schob alles zusammen auf eine Seite des Schreibtisches.
Doch was nun? Ich konnte diesen Text niemandem geben. Ich spürte, dass die Manipulation das nicht zulassen würde. Meine Gedanken drehten sich im Kreise, aber es hatte keinen Zweck. Ich musste hier weg. Jede Minute, die ich länger hier ausharrte, brachte mich näher an einen Punkt, verrückt zu werden.
Ich nahm meinen Mantel und zog ihn an. Lisa würde sich wundern, wenn ich heute schon so früh wieder gehen würde.
Als ich durch den Empfang an ihrem Schreibtisch vorbeiging, bemerkte ich ihren beunruhigten Gesichtsausdruck.
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte sie.
»Ja, wieso fragen Sie, Lisa?«
»Nehmen Sie es mir nicht übel, aber seit gestern verhalten Sie sich etwas merkwürdig. Kann ich irgendetwas für Sie tun?«
Da kam mir eine Idee. »Ja, vielleicht können Sie das tatsächlich. Auf meinem Schreibtisch liegen einige Papiere. Bitte scannen Sie sie ein und legen sie unter unseren Vertragsunterlagen ab. Aber lesen Sie bitte genau, was dort steht, denn ich möchte nicht, dass sie verrangiert werden und ich sie später nicht wiederfinde.«
»Chef? Sind Sie mit meiner Arbeit nicht zufrieden?«
»Doch, das bin ich, Lisa. Tun Sie es einfach. Sie werden wissen, was zu tun ist.«
Bevor sie weitere Fragen stellen konnte, verließ ich das Büro und durchquerte den Laden auf einem Weg, der mich nicht in den Fokus einer der angeblichen Kameras bringen würde.
Vor dem Laden stand mein neuer Mercedes auf meinem Parkplatz. Meine Laune stieg, als ich ihn aufschloss und mich in die Polster fallen ließ. Ein fantastisches Fahrzeug ...
Das Stimmungshoch hielt nur einen Moment, dann dachte ich an Lisa. Sie war eine wirklich gute Sekretärin. Hoffentlich zog sie die richtigen Schlüsse. Sie konnte Dinge tun, die mir im Moment verwehrt waren. Ich betete, dass sie uns den Hals rettete.
Dann drückte ich den Startknopf und fuhr los. Bis ich zu Hause war, waren alle Zweifel verschwunden und ich sonnte mich im Glück meines neuen Traumautos ...