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Es handelt sich hier um eine Leseprobe zu meinem neuen, in Arbeit befindlichen Roman, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Als Probe biete ich hier zwei Szenen des ersten Kapitels an.
Zum Verständnis des Zusammenhangs:
Niels, ein Schüler aus dem Polar-Bund war - zusammen mit ein paar anderen jungen Leuten - gezwungen worden, einen Abarth-Panzer, fast ein auf Ketten fahrbares Fort, in das Feindgebiet zu steuern, um eine Kraftwerksanlage auszuschalten. Die im Grunde nur aus Schülern bestehende Besatzung, die nur in einem Hypnose-Schnellverfahren die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten erworben hatte, gerieten unter Beschuss durch eine feindliche Fliegerstaffel. Niels, als Schütze des Panzers, gab sein Bestes und holte einen Angreifer nach dem Anderen vom Himmel, als sie zuletzt einen heftigen Treffer erhielten, der den Panzer lahmlegte. Niels überlebte als Einziger und sah, dass auch einem der Flieger noch eine Notlandung gelungen war.
An dieser Stelle setzt die Leseprobe an. Es würde mich freuen, ein Feedback zu diesem Text zu bekommen, da ich noch immer daran arbeite. Gravierende Unzulänglichkeiten könnten so im Vorfeld der Fertigstellung noch behoben werden.
Kapitel 1: Freund und Feind - Szene 2: Zusammentreffen mit Letha
Ich spürte, wie eine unbändige Wut in mir aufstieg. Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber ich projizierte all meinen Hass, wegen meiner toten Kameraden, mit denen ich noch vor wenigen Wochen die Schulbank gedrückt hatte, auf den Piloten dieses Flugzeugs. Es gab nur noch einen Gedanken: Diesen Kerl umbringen, wenn ihn die Landung nicht bereits erledigt hatte. Man hatte uns mit Handfeuerwaffen ausgerüstet. Ich prüfte die Ladung der Zelle für den Laser - dann lief ich los. Ich dachte nur an dieses Flugzeug und dass ich diesen Piloten erschießen würde. Mit keinem Gedanken dachte ich daran, dass es ja auch genau umgekehrt sein könnte.
Der Schmerz in meinem Arm wurde unerträglich, aber ich kämpfte mich Meter um Meter weiter. Von Zeit zu Zeit wischte ich mir mit der Hand die Tränen aus den Augen. Ich kam dem Flugzeug immer näher. Immer noch quoll Rauch aus seinem Innern, aber brannte nicht sichtbar. Auch schien der Pilot sich noch nicht befreit zu haben.
Das Flugzeug war ein Modell, wie wir es im Polar-Bund nicht hatten. Es verfügte über zwei Flügel in Delta-Form und zwei zusätzliche Kurzflügel unterhalb der Pilotenkanzel, die offenbar abgesprengt worden war. Schwenkbare Triebwerke verliehen der Konstruktion eine enorme Wendigkeit. Ich hatte jedoch keinen Blick dafür , sondern kletterte über die vorderen Flügel hinauf zur Kanzel. Insgeheim hatte ich damit gerechnet, den Pilotensitz leer vorzufinden, doch er war noch auf seinem Sitz festgeschnallt. Sein Kopf bewegte sich leicht und ein gequältes Stöhnen drang unter seinem undurchsichtigen Helm hervor. Ich hob meine Waffe und richtete sie auf den Gegner. Er schien mich sehen zu können, denn er hob seine Hände und machte eine abwehrende Bewegung.
Ich hatte nur ein Ziel: Dieses Schwein zu töten, doch als ich meine Waffe auf ihn gerichtet hielt, spürte ich, wie schwer es war, abzudrücken. Es war etwas anderes, ob man aus seinem Panzer heraus etwas tut, das wie ein Videospiel wirkt, oder ob man einen Menschen mit offenen Augen tötet. Meine Hand zitterte und ich hatte das Gefühl, als würde die Waffe immer schwerer.
Der Fremde gab ein paar unverständliche Laute von sich und griff sich an den Helm. Etwas in mir ließ mich immer noch zögern, abzudrücken. Der Pilot entriegelte umständlich seinen Helm und hob ihn sich dann vom Kopf.
Ich war wie vor den Kopf geschlagen, als ich sah, wie ein Schopf langer blonder Haare darunter hervorquoll. Mein gegnerischer Pilot war ein Mädchen.
Sie sah mich mit weit aufgerissenen Augen an und ich konnte sehen, dass sie vor Angst fast verrückt war.
„Töte mich nicht“, sagte sie mit leiser, sich überschlagender Stimme. Ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell. Noch immer hielt ich meine Waffe auf sie gerichtet.
„Du sprichst meine Sprache?“, wunderte ich mich.
„Natürlich. Wieso auch nicht?“, fragte sie. Ihr Blick wanderte immer wieder zu meiner Waffe, die in meinen Händen zitterte. Nein, es war eigentlich nicht die Waffe. Ich selbst war es, der am ganzen Körper zitterte, wie Espenlaub. Ich hatte einen dicken Kloß im Hals und starrte sie nur an. Nun sah ich ihr ins Gesicht und das machte es mir nicht eben leichter, abzudrücken.
„Warum habt Ihr das getan?“, fragte ich. „Warum habt Ihr uns angegriffen? Wir haben Euch doch überhaupt nichts getan?“
„Ihr habt den Krieg begonnen“, sagte sie. „Es war unsere Aufgabe, Euch zu stoppen.“
Ich spürte, wie meine Wut wieder hochkochte.
„Aber wir haben Euch - verdammt noch mal - nicht beschossen! Wir haben einfach nur hier in diesem Scheißpanzer gesessen!“ Ich brüllte sie vollkommen an und fuchtelte mit der Waffe herum.
„Ihr habt meine Freunde umgebracht! Verstehst du das? Sie sind alle tot!“
„Wenn du mich so sehr hasst, dann mach doch Schluss und drücke ab“, sagte sie und kniff krampfhaft ihre Augen zusammen. „Dann geht es wenigstens schnell.“
Ich sah sie verblüfft an.
„Es würde dir nichts ausmachen?“
Sie lachte humorlos und ließ ihre Augen geschlossen.
„Ich will leben, verdammt noch mal! Ich will diesen ganzen Dreckskrieg nicht und ich wollte nie einen Menschen töten. Und ja, es macht mir etwas aus. Ich habe eine Scheißangst, wenn es dich interessiert. Ich hätte nie geglaubt, dass ich noch so jung sein würde, wenn es vorbei ist. Ich würde alles tun, um noch etwas leben zu dürfen.“
Als ich eine Zeitlang nichts sagte, öffnete sie die Augen und sah mich an. Ich hatte die Waffe gesenkt, hielt sie aber noch immer in der Hand.
„Was wird das jetzt?“, fragte sie. „Willst du mich erst noch etwas quälen, bevor du mich tötest?“
„Kannst du aufstehen?“, fragte ich sie. „Kannst du aus dem Flieger klettern? Dann will ich, dass du mit nach draußen kommst.“
Ich hob wieder die Waffe, da ich nicht vorhatte, mich von ihr überrumpeln zu lassen.
Sie öffnete umständlich die Gurte und befreite sich schließlich davon.
„Ich bin übrigens unbewaffnet“, sagte sie. Langsam kletterte sie unter meinen wachsamen Blicken ins Freie, wobei ihr der schwere Fliegeranzug sehr hinderlich war.
„Darf ich dieses Ding hier ausziehen?“, fragte sie. „Es ist nicht sonderlich bequem.“
Ich nickte und ließ sie nicht aus den Augen.
Vor meinen Augen legte sie den schweren Anzug ab und trug darunter nur einen leichten Fliegeroverall, der offenbarte, dass sie eine recht gute Figur hatte. Vielleicht noch etwas so genannter 'Babyspeck' auf den Hüften, aber ich mochte es durchaus, wenn eine Frau auch nach einer Frau aussah. Ich schob den Gedanken beiseite. Dieses Blondchen hier war ein Killer. Wenn ich jetzt einen Fehler machte, konnte es mein letzter sein.
Sie sah mich abwartend an.
„Und was kommt nun?“, fragte sie sarkastisch. „Vergewaltigung und dann Kopfschuss?“
„Jetzt hör doch auf mit diesem Scheiß!“, fuhr ich sie an. „Meinst Du, wir wären Tiere?“
Ich ärgerte mich darüber, wie leicht sie mich durch diese blöde Frage in die Defensive gedrängt hatte.
„Etwa nicht?“, brüllte sie mich an. „Ihr habt mein Land überfallen und besetzt meine Heimat! Wurden wir etwa gefragt? Haben wir etwas getan?!“
Irgendetwas an ihrer Reaktion machte mich gegen meinen Willen betroffen. Waren wir vielleicht wirklich die Schuldigen, die ihr Land überfallen hatten? Hatten wir ihrem Volk das Leid gebracht? Unbewusst musste ich schlucken und blickte auf meine Waffe.
Dann ergriff ich sie und schleuderte sie in hohem Bogen weg. Dabei durchzog mich ein Schmerz im linken Arm, den sie mir wohl ansah. Gleichzeitig fragte ich mich, wie man nur so bescheuert sein konnte, in einer solchen Situation seinen Vorteil aus der Hand zu geben und sich selbst zu entwaffnen. Ich schalt mich im Geiste einen Idioten. Wenn sie doch noch irgendwo eine Waffe haben sollte, würde sie mich nun überwältigen können. Die Erkenntnis ließ meinen Atem stocken.
„Was ist mit Dir?“, fragte sie zu meiner Überraschung.
„Als wenn dich das interessieren würde ...“
... und hier folgt sogleich auch die nächste Szene des Romans:
Kapitel 1: Freund und Feind - Szene 3: Gespräche unter Feinden
„Jetzt, wo du die Waffe weggeworfen hast … ja“, sagte sie. „Offenbar willst du mich nicht mehr töten. Du willst mich scheinbar auch nicht vergewaltigen. Ich könnte dir vielleicht helfen.“
„Du?“, wunderte ich mich. „Warum solltest du das tun?“
Sie zuckte die Schultern.
„Vielleicht Veranlagung? Ich bin eigentlich Krankenschwester - oder besser: Krankenschwester-Schülerin. Aber ich kann Verbände anlegen und kann mal sehen, ob etwas gebrochen oder nur ausgerenkt ist. Du musst wissen, dass man uns alle nur eingezogen und in einem Hypnosekurs zu Soldaten gemacht hat. Ich hatte eigentlich gehofft, nie auf Euch zu treffen.“
Sie trat auf mich zu und tastete meinen Arm ab. Sie tat das ziemlich professionell, wie ich zugeben musste. Als sie die schmerzende Stelle erreichte, konnte ich einen kleinen Aufschrei nicht unterdrücken und zuckte zurück. Sie sah mich spöttisch an.
"Stell dich nicht so an!", wies sie mich zurecht. "Wie soll ich sonst deinen Arm abtasten?"
"Es tat aber weh ...!"
"Memme!"
"Na hör mal ..."
Sie reagierte nicht darauf und tastete weiter konzentriert den kompletten Arm ab.
„Ich heiße übrigens Letha“, sagte sie. „Letha Bor. Darf ich Deinen Namen auch erfahren?“
„Niels Krohn“, quetschte ich zwischen meinen Zähnen hervor.
„Es scheint zumindest nichts gebrochen zu sein“, sagte sie und setzte sich wieder auf den Boden. "Vielleicht nur eine Stauchung. Das ist oft genau so schmerzhaft, wie ein Bruch. Wenn es nicht besser wird, solltest du den Arm in einer Schlinge tragen."
"Sonst noch was?", fragte ich sarkastisch. "Klar, ich gehe gleich in die nächste Medik-Station und lasse mir eine geben. Mädchen, wir sind hier in der Mitte von Nirgendwo. Jeden Augenblick können hier Streitkräfte von uns oder euch auftauchen. Ich glaube, mein Scheißarm ist im Moment unser geringstes Problem."
"Entschuldige, dass ich dir helfen wollte!", rief Letha mit einem ätzenden Unterton in der Stimme. "Beim nächsten Mal werde ich halt wegsehen. Ist ja klar, dass einem Freundlichkeit nicht gedankt wird, du Arsch!"
Sie wandte sich von mir ab und starrte angestrengt in die andere Richtung. Es tat mir ein wenig leid, dass ich so grob gewesen war. Ich sah sie an. Sie bemerkte es und wandte mir nun ihren Rücken zu. Der Wind ließ ihre Haare in alle Richtungen fliegen.
"Letha ist ein schöner Name", sagte ich, nur um das Gespräch wieder in Gang zu bekommen. Sie regierte nicht.
"Wie kommt eine Schwestern-Schülerin eigentlich in einen Kampfjet?", machte ich einen weiteren Versuch.
Langsam drehte sie sich herum und ich konnte sehen, dass ihr Gesicht vollkommen verweint war. Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass sie geweint hatte.
"Ja ich bin eine Schwestern-Schülerin", presste sie zwischen ihren Zähnen hervor. "Immer schon wollte ich Krankenschwester werden. Immer schon wollte ich Menschen helfen. Aber ihr Schweine musstet ja einen Krieg anfangen und uns überfallen. Für die verdammten Jets brauchten sie junge, reaktionsschnelle Menschen. Sie kamen in die Schulen, in die Betriebe und holten uns heraus - ob wir wollten oder nicht. Meinst du im Ernst, ich hätte diesen Scheiß hier gewollt?"
Sie hob mir ihr Gesicht entgegen. Ich denke nicht, dass sie mich aus ihren tränenerfüllten Augen sehen konnte.
"Sie steckten uns in Hypnoseschulungsgeräte und stopften unsere Köpfe voll mit dem Wissen, das man zum Fliegen dieser Maschinen benötigt und zum Schießen. So eine Soldatin bin ich. Eine Krankenschwester, die Menschen umbringt ..."
Sie drehte ihren Kopf wieder zur Seite und lehnte sich schwer an die Außenwand ihres havarierten Fliegers. Ob ich wollte oder nicht, aber die Seelenqual dieser jungen Frau berührte mich doch ein wenig. Ich setzte mich zu ihr.
"Bei uns haben sie es genauso gemacht", sagte ich. "Auch wir wurden direkt aus der Schule verpflichtet und für diesen Kampf vorbereitet. Was ist das für ein Wahnsinn, wenn eigentlich niemand von uns weiß, warum das alles passiert und passieren muss?"
"Das kann ich dir sagen!", schrie Letha mich wütend an. "Weil euer verdammter Polar-Bund uns angegriffen hat! Darum muss das alles hier passieren, wie du es ausdrückst."
Mit der Faust schlug sie mir auf den verletzten Arm und ich schrie auf.
"Oh verdammt! Was soll das, Letha? Du weißt genau, dass ich Schmerzen in dem Arm habe!"
"Es sollte auch wehtun", sagte sie knapp.
"Vielleicht hätte ich vorhin doch abdrücken sollen!", rief ich wütend und es tat mir im selben Moment schon leid, als ich Lethas Gesicht sah - wie sie mehrfach ihren Mund auf- und zuklappte, ohne einen Ton hervorzubringen. Sie starrte auf ihre Beine und weitere Tränen rannen ihr über die Wangen. Mit ihren Händen zeichnete sie stereotyp Dreiecke in den Sand.
"Vergiss den Quatsch", versuchte ich sie zu beruhigen. "Ich hätte sowieso nicht abdrücken können. Ich bin doch genauso wenig ein Soldat, wie du eine Soldatin bist. Aber es ist nicht richtig, dass wir diesen Krieg angezettelt haben. Der erste Angriff erfolgte von eurem Boden aus."
"Wer sagt das?", fragte Letha scharf.
"Uns hat man gesagt, dass wir uns lediglich gegen die Invasionsbemühungen der Föderation wehren. Unsere Mission hatte zum Ziel, ein für euren Nachschub wichtiges Kraftwerk auszuschalten."
"Und das glaubst du?", fragte sie spöttisch.
"Du glaubst doch auch, was man dir erzählt hat, oder nicht?"
Wir schwiegen ein paar Minuten lang. Ich musste an meine Kameraden denken, die drüben in dem Abarth-Panzer gestorben waren. Ich hatte bisher geglaubt, meine Gefühle einigermaßen im Griff zu haben, doch nun spürte ich, dass meine Glieder zu zittern begannen. Ich verschränkte meine Hände und hoffte, dass Letha es nicht bemerken würde. Ohne, dass ich Einfluss darauf gehabt hätte, füllten sich auch meine Augen mit Tränen.
„Hast du keine Angst, dass ich dich nun umbringen könnte?“, fragte Letha plötzlich.
"Was?", fragte ich abwesend.
Das Mädchen sah mich mit schief gelegtem Kopf prüfend an.
„Vielleicht habe ich ja noch ein Messer.“
Eine spontane Kälte breitete sich in mir aus. Hatte ich etwas übersehen? War dies nun mein Ende?
„Hast du?“, fragte ich lahm.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, habe ich nicht. Ich könnte dich auch überhaupt nicht so einfach abstechen, oder dich mit einer Pistole erschießen.“
„Aber mit den Bordgeschützen unseren Panzer zu erledigen, hat dir keine Gewissensbisse gemacht, was?“, brauste ich auf.
Der Anblick der getöteten Kameraden erschien wieder vor meinem geistigen Auge und ich konnte nicht verhindern, dass sich ein paar Tränen ihren Weg über meine Wangen suchten.
„Wer sagt, dass ich keine Gewissensbisse habe?“, fragte Letha leise, fast flüsternd.
Mit dem Ärmel wischte sie sich die Augen trocken und verzog ihren Mund.
„Wir sind schon ein paar eigenartige Soldaten, was?“, sagte sie. „Wir sitzen hier und tun uns entsetzlich leid.“
„Wir haben getötet“, sagte ich. „Ich werde diesen Gedanken wohl in diesem Leben nicht mehr loswerden.“
„Ich auch nicht“, stimmte sie zu und zog ihre Nase hoch.
Ich kramte in der Außentasche meiner Kombination herum und fand eine völlig zerfetzte Packung Papiertaschentücher darin.
Mit spitzen Fingern zog ich ein noch weitgehend erhaltenes Exemplar heraus und schüttelte den Sand heraus. Dann reichte ich es ihr.
„Danke.“
Ich sah ihr zu, wie sie ihr Gesicht, so gut es ging, reinigte und dann das Tuch fortwarf.
"Was ist mit dir?", fragte sie.
"Was soll mit mir sein?"
"Na, ich denke, du könntest auch so ein Tuch gebrauchen. Ich habe durchaus gesehen, dass du auch geweint hast."
"Ich habe 'nicht' geweint!", verteidigte ich mich. "Der Sand ..."
Sie sah mich nur an und ein spöttisches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
"Ja verdammt! Ich habe geweint!", sagte ich grober als nötig. "Bist du jetzt zufrieden?"
"Ihr Kerle seid ja so verdammt taff ... und bescheuert", sagte sie und schüttelte ihren Kopf.
"Und Ihr Weiber ..."
"Ja?"
Ich winkte mit der Hand ab und schwieg. Letha begann, mir auf die Nerven zu gehen. Die Situation war schon so verfahren genug ... und jetzt auch noch ein Mädchen. Womit hatte ich das eigentlich verdient?
Letha erhob sich und kletterte über die Fronttragfläche in das Cockpit.
"Was tust du da?", rief ich nach oben. Sie antwortete nicht.
"Ich habe gefragt, was du da tust?", fragte ich noch einmal.
"Das geht dich einen Scheiß an", war die Antwort.
Nach ein paar Minuten erschien sie wieder und ließ sich wieder neben mir auf dem Boden nieder. Ein Seufzer entrang sich ihrer Kehle.
"Und?"
"Du gibst auch keine Ruhe, was?", fragte sie.
"Hattest du da oben noch eine Waffe versteckt?"
"Du bist ein verdammter Blödmann!", sagte sie. "Wenn ich gewollt hätte, hätte ich dich schon zehn Mal ausschalten können. Glaub mir doch einfach, wenn ich sage, dass ich eigentlich keine Kämpferin bin. Ich habe nachgeschaut, ob ich mit dem Funkgerät noch Hilfe herbeirufen kann."
"Klar, du rufst deine Leute hierher, damit sie sich um mich kümmern können. Gnädige Frau will sich ihre Hände nicht schmutzig machen."
Letha sprang auf und trat wütend in den Sand, dass eine Fontäne mich von oben bis unten mit Sand bedeckte.
"Dir haben sie doch ins Gehirn geschissen!", fuhr sie mich an. "Natürlich würde ich meine Leute rufen. Meinst du etwa, ich würde deine rufen? Das wäre doch wohl mehr als hirnrissig, oder? Aber du kannst dich entspannen ... Die Funkanlage ist tot."
Ich wusste selbst nicht, wieso ich immer wieder auf Letha herumhackte. Bisher hatte sie mich wirklich nicht hintergangen, obwohl sie es mehrfach hätte tun können. Es war einfach etwas an ihr, das mich dazu brachte, ihr immer wieder eines überzubraten. Ich erhob mich und der Sand rieselte aus allen Öffnungen meiner Kombination. Ein Teil davon war mir in den Kragen eingedrungen und breitete sich unangenehm auf meinem Rücken aus. Ich fluchte. Das hatte ich nur dieser blöden Letha zu verdanken.
Ich versuchte, mich zu beruhigen und setzte mich wieder hin.
„Was tun wir jetzt?“, fragte ich.
Sie zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Weißt du, wo wir uns hier genau befinden?“
Ich lachte auf. „Ich dachte, dass du mir das sagen könntest ...“
Letha erhob sich und blickte sich in alle Richtungen um.
„Es müsste irgendwo in der Föderationsprovinz Sentora sein, aber ich bin mir nicht sicher. Ich stamme aus Lerick - das ist sehr weit von hier. Ich kenne mich hier nicht sonderlich gut aus. Ich vermute aber, dass wir etwa hundert Kilometer im Norden eine der alten Handelsstädte finden müssten.“
„Würde man mich dort nicht sofort gefangen nehmen?“, fragte ich. „Immerhin herrscht Krieg zwischen uns. Wir sind Feinde.“
„Ach, hör doch endlich auf mit diesem Quatsch!“, fuhr Letha mich an und reichte mir eine Hand. Ich ergriff sie und sie zog mich hoch. Ernst sah sie mich an und blinzelte leicht, da ihr die Sonne in die Augen schien. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass sie ein blaues und ein braunes Auge hatte.
„Lass uns Frieden schließen, Niels. Wir sind doch überhaupt keine Feinde, sondern nur ein paar dumme, junge Menschen, die man aufeinander gehetzt hat.“
„Im Grunde hast du recht“, stimmte ich ihr zu. „Was mich stutzig macht, ist die Tatsache, dass man von diesem Krieg eigentlich überhaupt nichts merkt.“
„Wie meinst du das?“, fragte sie.
„Na … hast du außer uns überhaupt noch andere Panzer oder Truppen gesehen? Gab es Kampfhandlungen, die man von oben sehen konnte? Wir sind zwar nur ein Stück auf dem Boden gefahren, aber bevor deine Staffel am Himmel erschien, sah es aus, als wären wir vollkommen allein.“
Letha sah mich nachdenklich an. „Bei mir war es ähnlich. Wir waren schon eine Weile von unserem Startplatz aus unterwegs, aber euer Panzer war der erste Feind, den wir gesehen haben.“
„Das ist doch vollkommen absurd, oder nicht? In einem Krieg fallen doch ganze Armeen übereinander her. Uns müssten hier die Projektile und Laserschüsse nur so um die Ohren fliegen, aber hier ist nichts.“
„Kelta ist sehr dünn besiedelt“, gab sie zu bedenken.
„Wer?“, fragte ich.
„Ach, Ihr nennt diesen Planeten ja immer noch Centauri IV. Bei mir zu Hause nennen wir ihn Kelta.“
„In Ordnung, dann eben Kelta“, sagte ich, „aber gerade weil wir hier so wenige Menschen auf diesem Planeten sind, ist es doch eigentlich absolut unsinnig, dass wir uns gegenseitig bekämpfen. Es ist doch genug Raum da für uns alle.“
„Darum geht es doch überhaupt nicht!“, ereiferte sich Letha. „Ihr wollt doch Euren Polar-Bund bis in den Süden ausweiten. Das konnten wir doch nicht zulassen!“
„Wir sollen was vorhaben? Das ist lächerlich! Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Die Föderation versucht, uns bis in die Eiswüsten des Nordens zurückzudrängen!“
Fast eine Minute standen wir so voreinander. In unseren Gesichtern arbeitete es. So kamen wir nicht weiter.
„Wir sollten das Thema fallen lassen“, schlug ich vor. „Wir drehen uns sowieso im Kreis.“
„Einverstanden. Vorläufig zumindest. Hast du etwas zum Essen dabei? Ich habe seit Stunden nichts mehr gegessen.“
Ich griff in meine Uniform-Außentasche und zog einen Riegel hervor, den ich ihr zuwarf. Sie fing ihn geschickt auf und sah mich dankbar an. Gierig riss sie die Verpackung auf und verschlang den süßen Riegel mit Heißhunger.
„Jetzt brauchte ich nur noch etwas zu Trinken. Hast du auch Wasser?“
„Ist im Panzer“, sagte ich. „Den werde ich aber nicht mehr betreten. Den Anblick brauche ich kein zweites Mal.“
Sie sah mich an. "Hast du etwa Angst?"
Ich wollte erst protestieren, doch schwieg dann doch, als ich merkte, wie Panik in mir aufkeimte, bei dem Gedanken, den Panzer noch einmal zu betreten. Das Bild der blutverschmierten Leichen erschien wieder vor meinem geistigen Auge.
Sie beschattete ihre Augen mit der Hand und sah zu dem Panzerwrack hinüber, das noch immer in einiger Entfernung leicht qualmte.
„Aber du hast darin auch Wasser?“, fragte sie noch einmal.
Ich nickte.
„Dann werde ich es mir holen“, entschied sie und lief los. Nach wenigen Metern wandte sie sich zu mir um. „Willst du nicht mitkommen? Du kannst mir wenigstens helfen, wenn du schon nicht genug Mumm hast, selbst hineinzuklettern.“
Das saß. Warum - zum Teufel - musste sie mich jetzt so demütigen? Ich folgte ihr und holte sie nach weiteren zehn Metern ein.
„Du musst dich jetzt nicht aufs hohe Ross setzen“, sagte ich. „Darin befinden sich die Leichen meiner Freunde. Du hast sie nicht gesehen - ich schon.“
„Wenn du Wasser hast, werde ich es mir holen. Ich weiß ja jetzt, was mich erwartet. Du musst nicht glauben, ich wäre ein verwöhntes, kleines Mädchen.“
„Das habe ich ja auch gar nicht gesagt!“